Die Performance „Manto, in Variationen“ zeigt eine Auseinandersetzung mit dem Stück „Manto“ für Viola solo von Giacinto Scelsi. Dabei stand Manto I, der erste Teil der Komposition, im Vordergrund. Scelsi knüpft als Komponist vielfach an das Phänomen des Klangs als Klang und auch die Ergründung der Klanglichkeit eines Einzeltones an, so auch in diesem Stück. Er nennt das Stück „Manto“, der Name einer Sibylle aus der griechischen Mythologie.
Die Eurythmistin Jona Lindermayer findet sich in ihrer Auseinandersetzung mit dem Stück jedoch mehr in der Übersetzung des Wortes wieder: „Manto“ aus dem Italienischen übersetzt bedeutet Mantel. Dieser schafft ein Bild für die eigene Grenze, Begrenzung, Hülle und spiegelt sich in der inneren Thematik wieder, die sich im Laufe des Prozesses herausschält: Das Thema von Zentrum und Umkreis, von Innenraum, innerer Stabilität, Vertrauen in das eigene Sein und dem gegenüber die Erfahrung der Grenze, die Grenzüberschreitung, das Grenze bilden, um einen Innenraum zu finden. In der Musik findet sich dieses Thema in der Umspielung eines Tones wieder, welcher fast durch das gesamte Stück in verschiedenen Oktaven erklingt. Im Zusammenklang mit den weiteren Tönen entstehen atonale und tonale Klangräume, die oft bis ins Geräuschhafte die Grenze der Klanglichkeit ausreizen.
Eine Besonderheit der Performance liegt darin, dass das ungefähr fünfminütige Werk „Manto I“ sich mit den verschiedenen Variationen metamorphosiert. Eine Entwicklung der Beziehung zwischen Hörbarem und Sichtbarem wird dadurch erfahrbar, dass sowohl in der Gleichzeitigkeit als auch im Nacheinander die Beziehung zwischen Klang und Bewegung, zwischen Zeitlichem und Räumlichen sich verschiebt, gegenseitig inspiriert und modifiziert. Diese gegenseitige Inspiration kulminiert in einem kleinen Improvisationsteil, innerhalb dem Musikerin und Eurythmistin gleichberechtigt aus der Scelsi’schen Klangssphäre schöpfen, bevor die Performance mit quasi einer Reprise, der Aufführung des Gesamtwerks, schließt.
Dauer
20 Minuten
Premiere
28. Juni 2018 Alfter, Alanus Hochschule
Eurythmie
Jona Lindermayer
Viola
Johanna Lamprecht
Jona Lindermayer
1991 in Frankfurt am Main geboren, ist freischaffend als Eurythmistin in künstlerischen Kontexten und in der Lehre tätig. Von 2011 bis 2015 studierte sie den Bachelor Eurythmie an der Alanus Hochschule in Alfter. Anschließend widmete sie sich ein Jahr lang der eigenständigen Forschung an Versuchsanordnungen in der Eurythmie, welche sie von 2016 bis 2018 im Master für Bühneneurythmie an der Alanus Hochschule weiter vertiefte. Darin absolvierte sie im Juni 2018 mit dem Stück „Manto, in Variationen“. Sie gibt in Form von Improvisationen, Performances, Stücken und Werkstattpräsentationen Einblick in ihre künstlerische Forschung. Seit Herbst 2017 ist Jona Lindermayer mit dem Ensemble Ihoch3 künstlerisch forschend tätig. Sie studiert berufsbegleitend den Master für Eurythmie Therapie an der Alanus Hochschule in Alfter.
Johanna Lamprecht
ist Bratschistin und Projektgestalterin in künstlerischen Kontexten. Ihre künstlerische Ausbildung erhielt sie bei Roswitha Killian, Prof. Esther van Stralen sowie Prof. Ori Kam in Hamburg, Bremen und der Schweiz (Genf/Neuchâtel), die sie 2014 mit dem Bachelor of Music an der Hochschule für Künste Bremen abschloss. Im anschließenden Masterstudium „Doing culture. Bildung und Reflexion kultureller Prozesse“ an der Universität Witten/Herdecke forschte sie an der Schnittstelle von künstlerischer Praxis und wissenschaftlicher Reflexion. Seit Herbst 2017 Promotionsstudentin (Musikästhetik/Philosophie). Zahlreiche Kammermusik- als auch Orchesterprojekte lassen Johanna Lamprecht im In- und Ausland konzertieren. Mit einem Zusatzstudium der Barockbratsche bei Florence Malgoire am Centre de la musique ancienne Genève vertiefte sie die Historische Aufführungspraxis. Ihr schöpferisch-kreatives Interesse an neuer Klanglichkeit illustriert sie sowohl in Auseinandersetzung mit Zeitgenössischer Musik, darunter mehrere Uraufführungen, als auch innerhalb interdisziplinärer Projekte u.a. mit Improvisation im Duo chrotonía, zeitgenössischem Tanz, Performance und Sprache. www.johanna-lamprecht.com