Es gibt so viele Gedanken, die nur der Körper denken kann.
Mats Ek [schwedischer Choreograph]
Ein neues Verständnis des bewegenden Menschen
Die Theaterwissenschaftlerin Gabriele Brandstetter betrachtete beim Kongress Wissen in Bewegung (Berlin 2006) in ihrem Beitrag ‘Tanz als Wissenskultur‘ den tanzenden Menschen als Vermittler einer neuen Erkenntnisart:
„Worin besteht das spezifische Wissen des Tanzes? Es ist ein anderes Wissen als jenes, das wir üblicherweise als rationales, technisches oder diskursives Wissen akzeptieren. Der Schauplatz dieses anderen Wissens ist der sich bewegende Körper. Das Wissen, das sich in Tanz und Choreografie überträgt, ist dynamisch: ein körperlich-sinnliches und implizites Wissen. Es vermittelt sich kinetisch und kinästhetisch.“
Hier treten anstelle des intellektuellen Kopfwissens, intelligente Formen des Erfahrens über den Leib. Bewegungsschulung kann erfasst werden als Übungsfeld eines erweiterten Schicksals- und Weltverständnisses. Brandstetter bringt es auf den Punkt: „Tanz und Choreografie, als Körperbewegung im Raum und Zeit, konfigurieren ein situatives Wissen.“ Und sie fährt fort:
Wenn Tanz als ‚Wissenskultur’, d.h. als Schauplatz eines anderen, eines sinnlich-dynamischen Wissens auftritt und akzeptiert
wird, so kann dies nicht ohne Einfluss auf unser generelles Verständnis von Wissen und Wissenschaft bleiben.
Tanz würde dann die Grenzen dessen, was wir für Wissen und Wissenschaft halten, verschieben und damit unser Verständnis
vom Wissen selbst in Bewegung versetzen.
Gehm, S. / Husemann, P. / von Wilcke, K. - Wissen in Bewegung - Perspektiven der künstlerischen und wissenschaftlichen Forschung in Tanz (2007) Transcript Verlag, Bielefeld
Eurythmie im Dialog mit anderen Kunstformen
Diese prächtige Charakterisierung des bewegenden Körpers als Erkenntnisorgan gilt natürlich und sogar spezifisch für Eurythmie als Bewegungskunst. Und wer diesen Gedanke noch einmal konsequent weiterdenkt, wird auch die anderen Kunstformen verständlicherweise in dieser Richtung begreifen. Jede Kunst ist mit Hilfe des bewegenden Körpers: Erlangen substanzieller Erfahrung und Erkenntnis von Welt, Mensch und Schicksal. In seinen Einführungen zu den Eurythmievorstellungen hat Rudolf Steiner dieses Motiv immer wieder anders ausgearbeitet. So sagt er einmal mit Nachdruck, dass Eurythmie kein ‘Programm’ sei, das man einfach folge, sondern eine Kunstimpuls ohne Grenzen. Und er fügt hinzu:
Es ist mit der Eurythmie ein künstlerisches Element gegeben, welches sich in der mannigfaltigsten Weise erweitern,
ergänzen lässt, aber auch, sein inneres Wesen offenbarend, an die anderen Künste anschließt, oder mit ihnen in diesen
oder jenen bedeutungsvollen Gegensatz tritt.
Rudolf Steiner GA 277, blz. 347 en 413
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