Zusammen mit einigen Kolleg:innen habe ich seit geraumer Zeit ein für mich neues Berufsfeld betreten: Ich bin Impresario geworden und leite seit 2017 das internationale Quo Vadis Eurythmie Impresariat, eine Agentur für Produktionen mit Eurythmie, zugleich Künstler:innen-Vertretung (Wien | Berlin | Bonn | Hamburg | Den Haag). Was sind meine Ziele? Ich möchte qualitativ hochwertige Eurythmieproduktionen mitinitiieren und vermitteln und dabei ein breites Spektrum präsentieren. Damit meine ich z.B. unterschiedliche Stile von klassisch bis zeitgenössisch bzw. divers in der Herangehensweise von vorab durchchoreografiert bis hin zu devised. Aber ich meine auch aktuelle Projekte von jungen vielversprechenden Künstler:innen und Ensembles gegenüber Produktionen von sehr erfahrenen, routinierten Künstler:innen und Gruppen und ich interessiere mich auch für Alterswerke. Ich möchte eine große Verschiedenheit an Kontexten (Schule, Kongress, Kirche, Haftanstalt, Altersheim, Spital, usw.) und Spielorte (Theater, Gewerbehalle, öffentlicher Platz, im Park, am Bahnhof, usw.) im Portfolio führen, wo eurythmische Kunst immer wieder anders in Erscheinung treten kann. Auch unterschiedliche Formate, wie Try Outs, Masterclasses, Dialogveranstaltungen mit anderen performativen Künsten, Labore und Experimente, Flashmobs, usw. werden wir anbieten. Die Lage der Performer, die professionell mit Eurythmie als Bühnenkunst arbeiten, wollen wir verbessern. D.h. organisatorische Infrastrukturen aufzubauen, die es diesen Performer:innen ermöglichen, auf hohem künstlerischen Niveau zu produzieren (mit Kolleg:innen, in geeigneten Räumen, mit einem entsprechenden Maß an Zeit und Finanzen, Vermittlung, usw.), regelmäßig aufzutreten bzw. Tourneen durchzuführen, Bekanntheit zu erwerben und sich in einer lebendigen Szene zu etablieren. Last but not least möchte ich einen inhaltlichen Diskurs anregen.
Auf welche Art und Weise lebt für mich die Eurythmie in meinem Tun?
Eurythmie bezeichne ich als eine Übergangskunst. Die Optik dabei ist, dass die Zuschauer eine Darbietung betrachten, wo sich das Gezeigte und Erlebte fortwährend im expliziten Zustand des Übergangs befindet! Dieser Zustand des Transfers ist das Besondere und gleichzeitig Wesentliche dieser Bewegungskunst in jedem einzelnen Element. Gelingt diese Dramaturgie des Transfers, erfasst das Prinzip der Wandlung durch beseelte Bewegung und lebendige Bilder Performer wie Zuschauer. Eine langanhaltende Nachwirkung ist die Folge. Diese Kunst befähigt zum Drang, das eigene Leben anders anzugehen, d.h. immer wieder selbst diesen zur Erfahrung gewordenen Raum des Transfers zu betreten.
In diesem genannten Raum steht alles organisch miteinander im Zusammenhang. Jede Wirkung hat Konsequenz für das Ganze sowie für jedes Teil. Wirkungen können sich sphärisch vollziehen und lineare Folgen nach sich ziehen usw. Was immer ich, mittels Fokus, mittels meiner Phantasie und meiner Gestaltungskraft an Bildern, Gesten, Stimmungen, Interaktionen und Choreografien im performativen Raum erzeuge, ich erlausche dann was folgt und was sich wie in eine weitere Gestaltung hineingießen möchte.
So in etwa habe ich meine Produktionen mit Eurythmie immer zu formen versucht. Der Weg der Gestaltung lief immer über das entwickelnde Gespräch (devising) mit dem Stoff, mit der Materie und vor allem mit den Mitspieler:innen. Eine so entwickelte Produktion ist nie fertig, thematisiert und entwickelt sich stets weiter und die Performer:innen entwickeln sich mit ihm weiter und verwachsen zugleich immer mehr mit ihr. Sie werden von ihm lebensbegabt und sinnfähig gemacht im Felde dieses besonderen Stoffes und des Themas. Hier entsteht im intelligent geführten Dialog eine ganz eigene eurythmische Dramaturgie, weitgehend befreit von Klischees.
Auf welche Weise fühle ich mich durch sie inspiriert?
In ähnlicher Art und Weise baue ich, zusammen mit meinen Kolleg:innen, langsam und umsichtig am Felde meiner Agentur, die sich über vier Länder erstrecken soll und sukzessive wachsen möge.
Will ich Eurythmie als Kunst zur Präsenz befähigen, sollte ich auch nach ihren künstlerischen Qualitäten mich orientieren: Peripherie-Zentrum Empfinden und Sensibles Chaos sind meine Leitmotive. Und meine Arbeitsmethode ist naturgemäß der Dialog: Sowohl mit den Produzent:innen und mit den Darsteller:innen, und aber auch mit Intiator:innen, Organisator:innen und interessierten Menschen führe ich Gespräche und höre auf Themen, Motive, Arbeitsansätze und Intentionen und versuche so sukzessive zu einer Zusammenschau zu finden. Was wird gewollt? Wie wird gearbeitet? Wer ist involviert? Von was werden meine Kolleg:innen inspiriert? Was lebt unter bestimmten Gruppen von Menschen und wie könnte Quo Vadis durch Gastspiele engagierter Künstler:innen etwas beitragen zur künstlerisch-inhaltlichen Vertiefung?
Kurz: Quo Vadis stellt sich aktiv aufmerksam und dialogbereit in den erfragten Interessensraum hinein und wird dann mit den engagierten Ensembles, mit den Eurythmie-Produktionen initiativ. Die Arbeitsgeste ist großräumig angelegt und wird gelingen können, wenn viele Menschen antizipieren, mitmachen werden. Es würde mich enorm freuen, wenn viele Kolleg:innen diese Einladung aufgreifen!
Welche Grundlage gibt sie mir?
Eurythmie ist m.E. Bild für eine zeitgemäße Art, menschliche Umfelder als sensible Gebilde aufzubauen, die durch eine gemeinsame Interessens- und Frage-Kultur belebt, ja aufgeladen werden. Wenn dann im Laufe der Zeit verschiedenste Produktionen mit Eurythmie ‚vorbeikommen’, wird genügend Interesse und entsprechend Publikum da sein.
Das ist mein Ideal!
Wann und wie überschreite ich hierbei die Grenzen dieser Kunst?
Steiners Reihung der Künste in 3 Raum- und 3 Zeitkünste mit der 4ten, Dicht- oder Wortkunst als Mitte (Kunst im Lichte der Mysterien Weisheit, Bibl.nr. 275, zweiter Vortrag, Dornach, 29. Dez. 1914) inspiriert mich. Von der 6ten, Tanzkunst zur 7ten, Sozial- oder Gesellschaftskunst findet eine besondere Grenzüberschreitung statt, wo die Dramaturgie des Tanzes bzw. der Eurythmie die Gestaltung sozialer Prozesse zwischen Menschen ergreift, gestaltet und so wirkend lebendige Gemein-schaften erstehen lässt. Wenn ich jetzt also versuche, im Stile und Stimmung der Eurythmie ein gesellschaftliches Feld und Wirken zu bearbeiten, betätige ich mich m.E. im Übergangsbereich zwischen Tanz/Eurythmie und Gesellschaft. Hier ist eigentlich jede und alle Kunst beheimatet, nl. als GesprächsRaum und Ort und aber auch als Quelle eines zukünftigen Handelns. Das Quo Vadis Eurythmie Impresariat ist ein Versuch in diesem Sinne.
Wo und wie erlebe ich mich als Eurythmist, auch wenn ich etwas Anderes mache?
Ich bin ein Verbinder, ein Ermöglicher. Es ist eine Art von ‚Kleckern’ was ich mache. Wie in einem Malkästchen habe ich zurzeit bis zu 12 Produktionen mit Eurythmie im Portfolio und pinsle damit auf vier ‚Leinwänden’, die dazu besser oder weniger gut präpariert sind: Holland, Deutschland, Österreich und die Schweiz. Und das Präparieren dieser Leinwände, das Ansprechen eines interessierten Umfeldes, das fortwährend Im-Dialog-Sein gehört zu den Aufgaben der Agentur dazu. Und hier ist Quo Vadis abhängig davon, dass die Kollegenschaft und das interessierte Publikum sich aktiv beteiligen.
Was mich an der Eurythmie als Kunst inspiriert – Peripherie-Zentrum Empfinden – ist zugleich meine Arbeitsweise beim Entwickeln der Quo Vadis Agentur.
Was ich als ganz natürlich empfinde, ist, dass ich mich jetzt – nachdem ich selbst als Eurythmist eine Fülle an Projekten durchführen durfte – mich in meiner wohl letzten Berufsphase komplett um die Möglichkeiten anderer Künstler:innen kümmern darf und werde.
Noch nicht – Überall – Entwicklung
Was ich als Anthroposophie in mir trage, lässt mich immer neugierig sein nach Potential (was da ist, aber noch nicht erschienen), nach Chancen (die überall gegeben sind) und Möglichkeiten (zur Entfaltung, zur Entwicklung). Ich könnte auch sagen: Anthroposophie bedeutet für mich eine durch und durch positive Lebenseinstellung, ungetrübtes Interesse in allen Blickrichtungen und Freude am Begegnen. Ich verdanke hier meinem Weg mit Eurythmie und die Zusammenarbeit mit so vielen anregenden Kolleg:innen unendlich viel.
Ich freue mich auf das, wie es weiter geht…
Dieses Heft zeigt wieder Wege, die bisher gegangen wurden und was noch vor uns liegt:
Quo Vadis Eurythmie?
Quo Vadis Projekte | Heft EINS
Quo Vadis Projekte | Heft ZWEI
Berlin, Ernst Reepmaker, Pfingsten 2021