Chrysothemis
Ritsos Projekt Ensemble
ist die jüngste Schwester von Iphigenie, Elektra und Orest. Iphigenie wird als junges Mädchen geopfert, um Artemis zu versöhnen, die die Rückkehr des Vaters Agamemnon von Troja verhindert. Ob sie durch die Göttin selbst gerettet wird und ihr später als Priesterin dient, wie in mythologischen Auslegungen berichtet wird, bleibt offen. Wenn Chrysothemis von dem „kleinen, abgestochenen Mädchen“ spricht, ist es der Alptraum, der ihr in Erinnerung blieb von dieser Opferung. Das Bild eines riesengrossen weissen Schleiers, der an einer Wolke hängt, ist mit Iphigenie verbunden. Später erlebt sie die Ermordung des Vaters Agamemnon durch Aigisthos, dann die Rache des Bruders Orest an dem verräterischen Stiefvater und an der Mutter Klytaimnestra – und seine Flucht. Ihre Schwester Elektra zerbricht an den Schicksalsschlägen und verliert den Verstand. Chrysothemis schildert ihre z.T. traumatischen Erinnerungen, Ängste und Sehnsüchte von der Beobachterperspektive aus. Sie fühlt sich zugehörig zu den ausgegrenzten, vernachlässigten Menschen.
Auffallend ist, dass Jannis Ritsos nie die Namen der Familienmitglieder erwähnt. Sie bleiben «die Mutter, der Vater, die Schwester» usw. Dadurch haben alle Ereignisse, die in dem Spiel (nicht chronologisch) erzählt werden, wohl den Bezug zu Chrysothemis’ Erlebnissen, aber auch zu übergeordneten, zeitgemässen menschlichen Erfahrungen. Viele Schichten im Text zeugen von erlebten, erlittenen biographischen Momenten des Dichters.
In dem Schauspiel ist Chrysothemis alt, sie wird von einer jungen Journalistin über ihr Leben befragt. Wir erfahren im Epilog, dass sie wenige Tage nach dem Interview tot aufgefunden wird. Es ist also ein langer Rückblick eines einsamen Familienmitglieds aus einer grossen, tragischen Herrscherfamilie.
Zur Inszenierung
Mit dieser Inszenierung ist Rob Barendsma ein neuer, origineller Wurf gelungen. Eine Eurythmistin (Bettina Grube), als stumme Figur eine Journalistin darstellend, bringt ihre beim Zuhören entstehenden inneren Vorgänge, Gefühle, Fragen und Betroffenheiten zum Ausdruck. Dies vor allem auch durch musikalisch gestaltete (Silke Fahrenholtz) Bewegungs- Sequenzen. Zunächst ist sie eine interessierte Frau und wird im Prozess der Darstellung zur Tänzerin, deren Empathie der alten Chrysothemis (Sighilt von Heynitz) gegenüber mehr und mehr wächst. Schliesslich identifiziert sie sich mit den schon verstorbenen Menschen, welche die alte Dame in ihrer Erzählung sehr bildhaft und dramatisch erstehen lässt. Ein Dialog der ganz besonderen Art!
Facts
Dauer
75 Minuten
Zielgruppe
Jugendliche & Erwachsene
Premiere
8. April 2017 | Ackermannshof Basel
Vermittlung, Organisation
Quo Vadis Eurythmie Impresariat
Credits
Schauspiel von
Jannis Ritsos
Übersetzung
Asteris Koutoulas
Eurythmie
Bettina Grube
Schauspiel
Sighilt von Heynitz
Am Piano
Silke Fahrenholtz
Regie, Konzept
Rob Barendsma
Kostüm
Katja Nestle
Licht
Stephan Kraske
Künstler:innen
Ritsos Projekt Ensemble
Das Ritsos Projekt-Ensemble besteht aus vier freiberuflich tätigen Bühnenkünstlern. Bei der Suche nach aktueller griechischer Dichtung…